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Physik-Grundkurs Jahrgangsstufe 13 (2000/01)
Unterrichtsprojekt: "Physik -wozu?"


Verwendungsmöglichkeit physikalischer Grundkenntnisse bei einer (Kampf-)Sportart (z.B.Taekwondo)

Physik erforscht experimental und theoretisch die messend erfassbaren und mathematisch beschreibbaren Erscheinungen und Vorgänge in der Natur. Mit Hilfe der Physik kann man beim Taekwondo seine Technik besser und effektiver gestalten und auch die Lösung interessanter Fragen finden wie z.B. "Wie kann ein Stein im Taekwondo zerbrochen werden, obwohl jeder Körperteil und jeder Knochen zu schwach wäre, um bei einem Bruchtest der Härte eines Steines standzuhalten.
Die Kinematik und die Dynamik des Taekwondo lassen sich physikalisch exakt beschreiben. Die Kinematik beschränkt sich auf eine reine Beschreibung der Bewegungsvorgänge ohne die verursachenden Kräfte zu berücksichtigen. Die Dynamik hingegen untersucht den Zusammenhang zwischen Kräften und den durch die Kräfte verursachten Bewegungszuständen. Bei der Beschreibung menschlicher Bewegung muss man die Punkte

-Geschwindigkeit
-Beschleunigung
-Masse des Körpers bzw. des Körperteils
-Winkel
-Position betrachten.



Die Dynamik, die Lehre von den Kräften ist die wichtigste physikalische Gesetzmäßigkeit im Taekwondo. Immer wenn frei bewegliche Körper ihren Bewegungszustand ändern oder eine Verformung erfahren, ist die Ursache die Einwirkung einer physikalischen Kraft.Jede sportliche Bewegung verläuft im dreidimensionalen Raum und jede Bewegung ist die zeitliche Änderung der Position und wird als Geschwindigkeit bezeichnet. Im folgenden muss zwischen linearer Geschwindigkeit v = ds / dt und Winkelgeschwindigkeit w= dphi / dt unterschieden werden.
In der Natur kommt kaum eine Bewegung allein vor, sondern vielmehr eine Kombination dieser. Im Taekwondo gibt die lineare Bewegung Auskunft über einen geraden Fauststoss oder Fusstritt und die Winkelgeschwindigkeit über Drehbewegungen.
Wichtig für diese Auseinandersetzung mit der Physik im Taekwondo sind die drei Newtonschen Axiome.

Definition: Axiom (griech.), Grundsatz, der nicht logisch aus bestehenden Sätzen abgeleitet werden kann
( Dinge die an den Anfang zu setzen sind; Anfang eines Theoriegebäudes)

Erstes Newtonsches Axiom: Trägheitsprinzip

Ein Körper im Zustand der Ruhe oder der geradlinigen gleichförmigen Bewegung verharrt in seinem Zustand, solange keine äußere Kraft auf ihn einwirkt. Wichtig ist, dass das erste Newton - Axiom nicht zwischen ruhendem und gleichförmig geradlinig sich fortbewegendem Körper unterscheidet. solange keine resultierende Kraft einwirkt. Aber das erste Newtonsche Axiom gilt nicht in allen Bezugssystemen! Wenn das Bezugssystem beschleunigt ist (z.B. Rotation) dann gilt das Trägheitsprinzip nicht.Ein System, in dem das Trägheitsprinzip gilt, heisst Inertialsystem. Wenn etwas Physik sein will, dann muss es quantifizierbar sein: Es muss hier eine mathematische Beschreibung der Größe der Bewegung geben, eine Vorschrift, die es gestattet eine Zahl zu berechnen, die es wiederum ermöglicht festzustellen, ob eine Bewegung größer oder kleiner als eine andere Bewegung ist:

Das Maß der Bewegung ist der Impuls

Eine kleine Masse kann, wenn sie sich schnell bewegt eine heftige Wirkung haben (Gewehrkugel).Ebenso kann die Wirkung einer sich langsam bewegenden großen Masse erheblich sein. Erstaunlich ist die Einfachheit dieser Beziehung.

Wenn keine Kräfte auf einen Körper wirken, dann ist sein Impuls

Im Fall der Ruhe wäre diese Konstante dann Null, oder in differentieller Schreibweise: Wenn keine Kräfte auf einen Körper wirken, dann ändert sich seine Bewegungsgröße nicht, es muß also in diesem Fall dp / dt = 0 sein. Übertragen auf den Menschen lässt sich sagen, dass der Mensch Verformung oder Veränderung seines Bewegungszustandes durch seine Muskulatur erzielt. ( Muskelkräfte: Kontraktion der Muskelfasern durch biochemische Vorgänge. Erregung der Muskelfasern erfolgt durch motorische Nervenfasern.)

Zweites Newtonsches Axiom: Grundgesetz der Dynamik

Die Änderung des Bewegungszustandes ist der einwirkenden Kraft proportional und erfolgt in Richtung der Kraft: F = m * a [F] = 1 kg m /s^2 = 1N
m: konstant (Die Masse, genauer die träge Masse, ist die jedem Körper innewohnende Eigenschaft, sich einer Beschleunigung zu widersetzen.)
a: Beschleunigung Kraft die Ursache einer zeitlichen Änderung eines Impulses p : F = dp / dt =mv / dt . 1N ist die Kraft, die benötigt wird, um einen Körper der Masse 1kg mit 1m/s^2 zu beschleunigen.
Die Kraft ist eine Grösse, die einen Körper dazu veranlasst, seine Geschwindigkeit zu ändern, das heisst zu beschleunigen und Kraft ist durch 3 Eigenschaften bestimmt : 1. Betrag 2. Richtung 3. Angriffspunkt 1

Wirken mehrere Kräfte auf einen Körper, kann die Gesamtkraft durch vektorielle Addition berechnet werden. Kräfte können mathematisch wie Vektoren behandelt werden. Anschaulich gilt das sogenannte Kräfteparallelogramm 2 bei der Addition von Kräften. Dabei wird stets der Anfangspunkt eines Vektors an den Endpunkt des vorhergehenden Vektors gelegt. Werden alle Vektoren nach diesem Prinzip gezeichnet, so muß der Endpunkt des letzten Vektors nur noch mit dem Anfangspunkt des ersten Vektors verbunden werden. Man erhält so den resultierenden Vektor. 3

Bezogen auf Taekwondo ist die Masse m die Körpermasse des Angreifers oder die des Verteidigers, und die Änderung der Geschwindigkeit dieser Masse führt zur Änderung des Impulses und der Kraft. Im Klartext heißt das: Je größer die Kraft F ist, desto größer ist auch die Impulsänderung. Je schneller also eine Technik ausgeführt wird und je mehr die gesamte Körpermasse in die Richtung des Treffpunktes bewegt wird, desto stärker ist die einwirkende Kraft auf den Gegner!4

DrittesNewtonsches Axiom: Reaktionsgesetz actio - reactio

Jede Kraft F besitzt eine Gegenkraft F` : F´ = -F

Die Wirkung ist stets der Gegenwirkung gleich, oder die Wirkungen zweier Körper sind stets gleich und entgegengesetzter Richtung.5 , 6
Sichtbar ist die Fruchtbarkeit des 3. Axioms in den Resultaten, die die Newtonsche Mechanik in der Himmelsmechnik erbracht hat: Nicht nur die Sonne zieht die Erde an und die Erde den Mond - ebenso die Erde die Sonne und der Mond die Erde (eine Folge sind Ebbe und Flut).

Auch hier kann man eine Verbindung zum Taekwondo darstellen: Übt der Taekwondoin A auf den Taekwondoin B die Kraft F1 aus, so übt stets auch der Taekwondoin B auf den Taekwondoin A eine Kraft F2 aus, deren Betrag gleich dem von F1 und deren Richtung entgegengesetzt zu der von F2 ist.

Drehmoment:

Bisher wurden nur Massenpunkte betrachtet. Alle Kräfte griffen in diesem Punkt an, sie ließen sich vektoriell addieren. Die Wirkung war eine beschleunigte Translation in Richtung der resultierenden Kraft.
Die Idealisierung der Massenpunkte ist nur gut bei einer reinen Translationsbewegung. Bei ausgedehnten Körpern können Kräfte so angreifen, daß auch eine beschleunigte Drehbewegung entsteht. Diese Winkelbeschleunigung ist umso größer, je weiter entfernt von der Drehachse die Kräfte angreifen. Also beschreibt bei der Rotation nicht die Größe Kraft den Sachverhalt optimal, sondern eine neue Größe Drehmoment gleich ``Kraft mal Abstand von der Drehachse''. Genauer wird das Drehmoment definiert als

wobei der Abstand der Wirkungslinie von (Verlängerung des -Vektors) von der Drehachse ist.
Die Einheit des Drehmoments ist 1 Nm (wie die Energie, hat aber eine ganz andere Bedeutung!).

Wenn mehrere Kräfte auf einen (um eine feste Achse drehbaren) Körper wirken, dann wird ihre ``Gesamtwirkung'' nicht durch die Vektorsumme der Kräfte, sondern durch die Summe der einzelnen Drehmomente beschrieben (wobei die Drehrichtung berücksichtigt werden muß).

Trägheitsmoment: In der Translation gilt das II. Newton-Axiom:

einer wirkenden Kraft setzt Körper träge Masse entgegen. Je größer die Masse , desto kleiner die Beschleunigung . Bei der Rotation gilt entsprechend:

= J · a

einem wirkenden Drehmoment setzt Körper ein Trägheitsmoment J entgegen. Bei großem Trägheitsmoment J ist Winkelbeschleunigung klein (und umgekehrt). Das Trägheitsmoment ist nicht mehr die Gesamtmasse, da die ``Trägheit'' bzgl. Rotation davon abhängt, wieweit die Masse ( ) von der Drehachse entfernt ist. Es gilt für eine punktförmige Masse :

J = m · r

Die Rotationsenergie ist somit : W = ½ m v² = ½ m (wr)² = ½w² (m r²)

Diese Gleichung gilt aber nur für ein Masseteilchen eines rotierenden Körpers.Die Rotationsenergie des ganzen Körpers erhält man , wenn man alle Teilchen der Massen m1, m2, usw.summiert, die den Körper ausmachen:

W = ½ w²(m1 r1² + m2 r2² +…) = ½ w² (Summe aller ) m r² ( (Summe aller) ist eine Abkürzung für den Klammerausdruck )

Standfestigkeit:

Standfestigkeit ist die Sicherheit eines Körpers gegen Umkippen. Ein mit einer bestimmten Standfläche auf einer Unterlage stehender Körper kippt nur dann nicht um, wenn der Fußpunkt S' des von seinem Schwerpunkt ausgehenden Lotes innerhalb der Standfläche oder genau auf einer Begrenzungslinie der Standfläche liegt.Die Standfestigkeit F muß waagerecht an einem Schwerpunkt S angreifen, um ihn zum Umkippen zu bringen.Wenn man die Kippkante k als Drehachse eines Hebels betrchtet, ergibt sich ein linksdrehendes Drehmoment Dl=F*h und ein rechtsdrehendes Drehmoment Dr = G * l. Ist F * h > G * l, dann kippt der Körper um. Im Grenzfall gilt

F = G * l / h

Da der Betrag dieser Kraft F ein Maß für die Standfestigkeit ist, hängt diese also von der Gewichtskraft G des Körpers und der Lage seines Schwerpunktes S ab. Sie ist um so größer, je schwerer der Körper ist, je tiefer sein Schwerpunkt liegt und je weiter die Umkippkante vom Schwerpunktlot entfernt ist.Möchte der Taekwondoin sein Gleichgewicht behalten und seine Stabilität verbessern, so muß er seine Standfläche vergrößern oder seinen Körperschwerpunkt absenken. Vergrößert man seine Standfläche und senkt seinen Körperschwerpunkt ab, in dem die Beine angewinkelt werden, so leidet die Beweglichkeit darunter. Diese Stellung ist geeignet für eine Abwehrstellung. Beim Angriff sollte der Stabilitätsgrad geringer sein.

Das Drehmoment spielt für die Rotation eines Körpers dieselbe Rolle wie die Kraft für die Translation eines Massenschwerpunktes. Wird ein Körper durch das Drehmoment:

M = r * F

um den Winkel dphi gedreht, so hat die äußere Kraft F längs des Weges ds = r phi gewirkt. Wir stellen eine Verbindung zum Taekwondo und untersuchen die Wirkung der Kraft und die des Drehimpulses bei Paltung-chagi. Hier bildet der Spann die Verlängerung des Schienbeins. Die Hüfte wird während der Trittbewegung gedreht und das Ziel nach der Beinstreckung im 90-Grad-Winkel direkt von der Seite getroffen. Im Moment des Aufpralls wird die Kraft F tangential auf das Ziel übertragen und entsteht ein Drehimpuls L. Der Drehimpuls L charakterisiert die Rotationsbewegung in ähnlicher Form wie die des Impulses p die Translationsbewegung. Man ersetzt in der Glg. p = mv die Masse m durch das Trägheitsmoment J und die Geschwindigkeit v durch die Winkelgeschwindigkeit w; als analoge Größe:

L = J w

mit

w =dphi / dt

Analog zu Erklärung des Impulses p unter zweitem Newtonschen Axiom folgt, daß der Drehimpuls dadurch verstärkt werden kann, wenn die Winkelgeschwindigkeit größer wird. Im Taekwondo kann man die Winkelgeschwindigkeit beeinflußen, in dem man die Drehbewegung explosivartig ausführt. Damit steigt auch die Winkelbeschleunigung.7

Der Bruchtest:

Der letzte zu bearbeitende Punkt im Zusammenhang von Physik und Taekwondo ist der Bruchtest:

Im Prinzip sind alle Punkte, die den Erfolg eines Bruchtests garantieren beschrieben. Um die Erklärungen etwas verständlicher zu machen, hier einige Ergänzungen:

· Beim Bruchtest gilt das 1. Newtonsche Axiom nicht!

· Die Wahl einer Stellung hängt immer von der angewendeten Technik ab:

· Möchten man einen Bruchtest aus der Drehung oder im Sprung ausführen, dann sollte man möglichst die Kampfstellung einnehmen. Hierbei ist die Unterstützungsfläche klein und der Schwerpunkt liegt höher als bei den Abwehrstellungen. Dies gilt auch, wenn die Technik an einem nicht fixierten Material erprobt wird. Hier kommt es auf die Schnelligkeit (2.Newtonsches Axiom) an.

· Der Bruchtest, bei dem viel Körpermasse zum Einsatz kommt, soll in einer stabilen Stellung, die viel Unterstützungsfläche bietet und deren Schwerpunkt nah zu Boden ist, ausgeführt werden. Das gilt grundsätzlich, wenn man die Technik an einem fixierten Material erprobt.

· Um das Material zu zerbrechen, muß die Trägheit des Matereals überwunden werden. Dazu benutzt man die Muskelkraft, die Körpermasse, die allerdings nicht sehr zu beeinflussen ist, und die Beschleunigung (2. Newtonsche Axiom).

· Die Masse hat den Charakter eines Beschleunigungswiderstandes. Würden zwei körperlich unterschiedlich schwer gebaute Taekwondoin ihre Körpermasse gleich groß beschleunigen, dann kann der schwerere Taekwondoin gemäß Definition: F = ma mehr Kraft erzielen als der leichtere Taekwondoin. Aus der Formel wird aber auch ersichtlich, daß für den leichteren Taekwondoin wesentlich weniger Krafteinsatz erforderlich ist, um die gleiche Beschleunigung zu bewirken. Ergebnis: Je größer die Beschleunigung, desto größer die entstehende Kraft und der Impuls, der den Bruch auslöst.

· Bei Stößen und Stichen wirkt der Impuls in Bewegungsrichtung. Bei Kreisförmigen Bewegungen, also Schlägen und Tritten wirkt er tangential. Da der Impuls in die Bewegungsrichtung zeigt, muß die Technik exakt senkrecht und zentral auf das Material treffen. Deshalb ist es darauf zu achten, die Technik so auszurichten, daß sie im Augenblick des Auftreffens die höchste Kraft erreicht und senkrecht (90 Grad) zum Material steht. Der Punkt, auf dem der Körper seine höchste Kraft erreicht, ist nicht auf der Oberfläche des Materials, sondern dahinter, sonst würde dies bei den elastischen Stoffen zum Mißerfolg führen.

· Gem. 3. Newtonschen Axiom wirken im Moment der Impulsübertragung an den Auflagepunkten des Materials die Reaktionskräfte F1 und F2 in die entgegengesetzte Richtung.

F = F1 + F2

Summe ist gleich der vom Körper erzeugten Kraft. Diese Kräfte wirken der Bruchfestigkeit bis zu einem bestimmten Maß entgegen. Wird dieses Maß überschritten, bricht das Material durch. Alles in allem kann man sehen, dass schon durch ein wenig physikalisches Wissen bzw. durch Physikalische Grundkenntnisse ein größerer Erfolg erzielt werden kann. Dies gilt natürlich nicht nur für Kampfsport, sondern für alle Sportarten.

 

Kristian Djordjevic